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Party im März
Hallo Freunde der nahtlosen Bratkartoffel! Es ist Samstagabend, 29. März 2008 und ich widme mich ein Weilchen meinem etwas vernachlässigten Blog. Immerhin habe ich Neuigkeiten zu berichten. Also zuerst zu meinem guten Neujahrsvorsatz (nicht mehr in der Microsoft Kantine zu essen): Ich bin stolz auf mich! Vielleicht nur 10 Mal bisher insgesamt. Gar nicht so schlecht. Ist aber ein ganz schöner Stress, sich immer was mit von zu Hause mitzubringen, das muss ich zugeben. Da kommt man direkt ins Rotieren. Aber alles in allem hab ich das bisher gut im Griff. Bin mal gespannt, wie’s mit Tims Knastpiepen so geht.
Zu den Neuigkeiten: Am 8. März feierten wir endlich eine lange überfällige Party. Irgendwie haben wir es in den letzten Jahren nicht mehr gebacken gekriegt, unsere jährliche Fete am 4. Juli steigen zu lassen (reine Faulheit), also kümmerten wir uns um eine Alternative und organisierten einen Abend im Woodshed Studios, einem coolen Aufnahmestudio nicht weit von uns entfernt, das man für private Veranstaltungen mieten kann. Da das ein ziemlich großer Raum ist, ließen wir mehrere andere an der Party teilnehmen, u.a. Gerrys jüngsten Bruder Jon, der gerade seinen Vierzigsten gefeiert hatte und Gerrys Schlagzeuger Mike, der auch einen B-Day zu begießen hatte. So hatten wir etwas über 100 Gäste geladen. Hier ein paar Partybilder:
Es wurde ein richtig netter Abend. Eine alte Bekannte von Gerry hatte ihre gerade 21 gewordene Tochter und deren Früchtchen-Freundinnen mitgebracht, und die Deerns tanzten auf dem Tresen. Gerry sorgte für musikalische Untermalung und zwar erstmal war sein Bassist Rob Stewart mit seiner Kapelle an der Reihe, dann Gerry mit seinen tödlichen Sonntagen und am Ende noch eine Einlage der alten Kombo Paisley Sin. Die Party verlief ohne Zwischenfälle, keine Probleme mit Druckbetankung und dem anschließendem Dilemma, wie man seine Gäste heil nach Hause schaffen soll. Alle waren mit bestem Benehmen gut dabei, und die Paletten Mineralwasser waren als erstes leer! Von den beiden Fässern Bier wurde bestimmt ein halbes weggekippt und ich hab auch einige Flaschen Wein wieder mit nach Hause transportiert, also auf Saufen scheint keiner mehr so zu stehen. Kann auch daran liegen dass die Polizei in Seattle auch langsam auf den Trichter gekommen ist und inzwischen durchaus Alkohlkontrollen durchführt (das gab’s hier jahrelang ja überhaupt nicht). Ach, und das mit den Fotoapparaten an Ampelanlagen haben sie auch spitz gekriegt, nun muss man Blutorange auch hier in Seattle tunlichst vermeiden.
Abgesehen davon war der März eher öd. Dreckswetter (gestern hat’s nochmal ein paar Stunden nass geschneit, ganz toll) und viel Arbeit. Richtig sauviel Arbeit. Außerdem quäl ich mich gerade auch noch wirklich doll mit einem Immobilienprojekt herum. Ein Haus, das wir vor 2 Jahren gekauft und renoviert hatten und eigentlich letztes Jahr verkaufen wollten. Irgendwie war der Markt dann mau und die Probleme mit den Krediten fingen an, also verkauft gekriegt hab ich’s nicht. Jedenfalls versuch ich’s jetzt zu vermieten und ACH DU MEINE GÜTE, was da so alles durch den Äther kommt! Besonders interessant, wieviele Leute nicht wissen, wo sie mit ihren Kötern hinziehen sollen. Mensch, was haben die Leute viele Hunde. Nicht nur einen kleinen, vielleicht nicht ganz so doll haarigen und auch nicht besonders sabbernden, nein, immer sind es gleich 2 Bernhardiner oder ein Rottweiler-Husky-Mischling und ein deutscher Schäferhund noch dazu. Und weil diese Hundebesitzer so verzweifelt sind, dass sie keiner als Mieter haben will, erzählen sie einem erstmal nix von dem ganzen Ungetier und bedrängen einen dann später mit ihren putzigen Fotos. Nervig.
Dann hab ich noch ne lustige Geschichte. Ich reite doch am Wochenende immer, schon seit Jahren und immer im selben Stall. Inzwischen kennt man da ja alle, auch die Bekannten von Bekannten und so weiter. Jedenfalls vor zwei Wochen an einem schönen Sonntagnachmittag reite ich so schön durch den Wald, lass meine Seele baumeln und hänge nichtsahnend meinen Gedanken nach. Plötzlich ruft jemand auf deutsch: “Christina, warte mal!” Es ist der Österreicher Herrmann auf seinem schnieken Fuchs. Herrmann ist ein fescher Mittfünfziger, aber irgendwie ein seltsamer Kauz. Er hält neben uns an und fragt: “Du, kann ich Dir mal eine Ballade vortragen? Ich üb da gerade verschiedene ein und das ist immer schlecht, wenn man kein Publikum hat”. Ich denk bei mir ACH DU GROSSER GOTT, WAS SOLL DAS JETZT, sage aber brav: “Na klar, denn man los.” Im nächsten Moment reiten wir im Schritt nebeneinander durch den Wald und Herrmann schmettert mit voller Inbrunst und seinem österreichischen Akzent folgenden Heinrich Heine Text in die Landschaft:
Belsazar
Die Mitternacht zog näher schon;
In stummer Ruh lag Babylon.
Nur oben in des Königs Schloss,
Da flackert’s, da lärmt des Königs Tross.
Dort oben in dem Königssaal
Belsazar hielt sein Königsmahl.
Die Knechte saßen in schimmernden Reihn
Und leerten die Becher mit funkelndem Wein.
Es klirrten die Becher, es jauchzten die Knecht;
So klang es dem störrigen Könige recht.
Des Königs Wangen leuchten Glut;
Im Wein erwuchs ihm kecker Mut.
Und blindlings reißt der Mut ihn fort;
Und er lästert die Gottheit mit sündigem Wort.
Und er brüstet sich frech, und lästert wild;
Der Knechtenschar ihm Beifall brüllt.
Der König rief mit stolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.
Er trug viel gülden Gerät auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovahs geraubt.
Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand.
Und er leert ihn hastig bis auf den Grund
Und rufet laut mit schäumendem Mund:
"Jehovah! dir künd ich auf ewig Hohn –
Ich bin der König von Babylon!"
Doch kaum das grause Wort verklang,
Dem König ward’s heimlich im Busen bang.
Das gellende Lachen verstummte zumal;
Es wurde leichenstill im Saal.
Und sieh! und sieh! an weißer Wand
Da kam’s hervor wie Menschenhand;
Und schrieb, und schrieb an weißer Wand
Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand.
Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und totenblass.
Die Knechtenschar saß kalt durchgraut,
Und saß gar still, gab keinen Laut.
Die Magier kamen, doch keiner verstand
Zu deuten die Flammenschrift an der Wand.
Belsazar ward aber in selbiger Nacht
Von seinen Knechten umgebracht.
Es dauerte die gesamte Strecke unter der Powerline entlang. ich hab da vor einem Jahr im Sommer mal Fotos gemacht, damit Ihr Euch das vorstellen könnt:
Wie Sancho Pansa neben Don Quijote kam ich mir vor. Die kleine Schimmelstute Putz ist viel kleiner als der große Fuchs von Herrmann. Da reiten wir also und er rezitiert und ich denk mein Schwein pfeift. Muss ich mir hier in Seattle auf dem Pferd im schönen Wald auf meinem angenehmen Sonntagnachmittagsausritt so einen Schmarrn anhören? In meinem Kopf schwirrt die ganze Zeit nur ein Gedanke im Kreis: „Wie komm ich jetzt hier am besten und schnellsten weg? Sonst muss ich mir gleich auch noch Schillers Glocke anhören!”. Als er fertig war fragte er mich – total in Fahrt gekommen – ob wir jetzt rechts abbiegen wollten, dann könne er mir noch ein paar vortragen. „Nee,” meinte ich schnell, „ich muss jetzt nach Hause, hab noch ein Date in der Stadt.” Darauf er: „Ja ja, sag’s doch gleich, da wartet doch Dein Boyfriend.” „Genau,” erwiderte ich, „der auch.” Und dann noch „tschüss” gerufen und flugs links abgebogen. Nichts wie weg. Ohauerhauerha. Nicht, dass Ihr denkt, es ist hier irgendwie langweilig in Seattle oder so. Nein nein, weit gefehlt.
So, jetzt ist’s gut geworden für heute. Ich wünsche Euch ein schönes Wochenende! Gehabt Euch wohl.
T.